Gefahrgut

Beschleunigungskräfte auf See (II)

Teil II der „Beschleunigungskräfte auf See“ widmet sich den komplexen physikalischen Kräften, die bei Seetransporten auf Ladung wirken und häufig unterschätzt werden. Welche Auswirkungen haben vertikale Beschleunigungen und Seeschlag auf die Sicherheit von Transportgütern? Wie entstehen zusätzliche Gefahren durch unzureichend gesicherte Fracht? Dieser Beitrag liefert fundierte Antworten, zeigt typische Fehlerquellen auf und bietet praxisnahe Empfehlungen für eine sichere und regelkonforme Ladungssicherung im Seeverkehr.

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht im Fachmagazin „gefährliche Ladung“ 09/2024. Das Magazin für die Gefahrgut-Logistik erscheint bei Storck Hamburg, einer Marke des Verlags ecomed-Storck in Landsberg am Lech und Hamburg.

7 Min.

21.08.2025
Container auf einem Schiff

Das Anbringen einer wirksamen Ladungssicherung ist einer der am schwierigsten auszuführenden Arbeitsschritte. Wer bereits eine gute Ladungssicherung für den Straßenverkehr anbringen kann, verfügt auch schon über das Grundwissen für eine gute Ladungssicherung für den Seeverkehr.

Die Bauart und der Zustand

Im Straßenverkehr darf kein Fahrzeug in Betrieb genommen werden, das keine Betriebserlaubnis und keinen „TÜV“ hat. Dieses Prinzip gilt auch für Container. Bevor der Container beladen werden kann, muss geprüft werden, ob er eine aktuelle CSC-Plakette (International Convention for Safe Containers) hat oder ob der Eigentümer am ACEP (Approved Continuous Examination Program) teilnimmt. Hier steckt allerdings die Tücke im Detail: Wer einen Container kauft, der eine ACEP-Markierung hat, muss sich selbst um eine neue CSC-Zulassung kümmern. Beim Kauf erlischt die ACEP-Genehmigung, weil sie ja nur für den Voreigner des Containers erteilt worden war. Eine aktuelle CSC-Zulassung oder ACEP-Genehmigung nutzt jedoch nichts, wenn der Container beschädigt ist. Dann darf er auch nicht für eine Beförderung benutzt werden.

Die maximale Zuladung des Containers darf nicht überschritten werden. Sie ist beim Container einfach zu ermitteln: Die Zuladung steht groß an der Tür. Außerdem ist sie auf dem CSC-Schild eingetragen.

Die maximale Sicherungslast der Türen und der Seitenwände muss beachtet werden. Die Seitenwände sind in der Lage, einer gleichmäßigen Belastung von 60 Prozent der zulässigen Zuladung standzuhalten. Stirn- und Türseite (die Tür ist immer hinten) halten 40 Prozent stand. Dies gilt aber nur, wenn die Kraft auf die gesamten Flächen der Wände und Türen gleichmäßig verteilt wird. Das heißt, wenn der Container nicht vollständig bis zur Decke homogen beladen wird, was selten der Fall ist, muss unter Umständen eine zusätzliche Ladungssicherung angebracht werden, auch wenn 40 Prozent Auslastung weit unterschritten sind. Gleiches gilt für Container, bei denen man die maximale Zuladung völlig ausreizt.

Wie bereits beschrieben, müssen Beschleunigungskräfte von 0,8 c in alle Richtungen abgefangen werden. Packt man in einen Container schwere Verpackungen bis zur maximalen Zuladung, aber mit einer Höhe von z. B. nur 90 cm, erreicht man eine Höhe von lediglich etwa 34 Prozent der Gesamthöhe. Das heißt, dass die Containerwand nur noch zu 20,4 Prozent der maximalen Zuladung (Payload) belastet werden kann – es sei denn, es wird dafür gesorgt, dass die Belastung gleichmäßig auf die gesamte Höhe und Länge verteilt wird. Bei der Stirnwand und Türseite sind es sogar nur noch 13,6 Prozent.

Eine Ladungssicherung nur durch Formschluss wird wohl nicht ausreichen. Außerdem muss beachtet werden, dass die Ladung nicht gegen die Tür drücken darf, um Unfälle beim Öffnen des Containers zu verhindern.

Die Fußböden der Container sind nur für eine Achslast von 5.460 kg bzw. eine Radlast von 2.730 kg belastbar. Beim Be- und Entladen mit einem schweren Stapler muss beachtet werden, dass das Gewicht des Staplers zusammen mit der angehobenen Ladung punktuell auf den Boden drückt. Extrem schwere Teile sollten also besser von außen, beispielsweise von oben mit einem Kran, be- und entladen werden. Punktuelle Belastungen durch extrem schwere Teile, die nur auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche stehen, müssen mit einem geeigneten Bedding (Gestell) über eine größere Fläche verteilt werden, um den Boden des Containers nicht zu überlasten.

Auf die einzelnen Ladungssicherungsmaterialien soll hier nicht eingegangen werden. Im Unterschied zu den für den Straßenverkehr brauchen die für den Seeverkehr keiner Norm zu entsprechen. Dies ist auch nicht möglich, weil Normen nicht global gültig sind. Allerdings gilt, wenn ein Container sich im Zu- oder Ablauf zum Luft- oder Seehafen befindet, dass er streng genommen für die Beförderung auf der Straße, Schiene oder per Binnenschiff in Europa nur mit genormten Ladungssicherungssystemen gesichert sein darf. Bei den Behörden wird meist ein Auge zugedrückt, wenn die Ladungssicherung für den Seeverkehr richtig gemacht wurde. Es sei hier aber angemerkt, dass Ladungssicherungssysteme, die aus dehnbaren Materialien, wie zum Beispiel aus Kunst- oder Naturstoffen, hergestellt worden sind, vorgereckt sein sollten, damit sie nicht schon am nächsten Tag ihre Zugkraft verlieren.

Die Physik kommt zu Hilfe, allerdings nur in begrenztem Maße

Wie in diesem Fachbeitrag bereits mehrfach erwähnt, unterliegen Beförderungsprozesse physikalischen Gesetzen. Diese Gesetze kann man nicht brechen, sondern man sollte sie sich zunutze machen. Daher müssen bei der Beförderung die Beschleunigungskräfte beachtet werden und die Ladung muss mit geeigneten Ladungssicherungssystemen gesichert werden. Dabei hilft eine physikalische Kraft, schon bevor der erste Balken, Stropp oder das erste Lashing angebracht wird: Es handelt sich um die Reibung. Wenn Köper aufeinander haften, gleiten oder rollen, tritt Reibung auf. Bei der Ladungssicherung ist die Reibung gemeint, die durch das Gewicht der Ladung auf dem Boden des Containers erzeugt wird. Es wird zwischen Haft- und Gleitreibung unterschieden. Üblicherweise wird sich bei der Ladungssicherung, außer im Bahnverkehr, die Haftreibung zunutze gemacht. Dazu muss der Reibungskoeffizient zwischen den einzelnen Materialien bekannt sein. Man kann zwar die Reibung selbst bestimmen, aber das ist sehr aufwendig und setzt wissenschaftliche Kenntnisse voraus. Wer möchte, findet im CTU-Code eine gute Anleitung. Für viele Materialkombinationen sind die Reibungsbeiwerte ermittelt und veröffentlicht worden. Hierzu soll an dieser Stelle lediglich auf Anlage 7 Anhang 2 CTU-Code verwiesen werden.

Aber auch die Reibung hat ihre Grenzen. Eine gute Reibung kann entscheidend durch Vibration verringert werden. Außerdem wird die Reibung durch die vertikale Abwärtsbeschleunigung, wie sie beim Seetransport typisch ist, verringert. Wie bereits aufgeführt, kann es vorkommen, dass die vertikale Abwärtsbeschleunigung im Seetransport nur noch 0,2 cz beträgt. Das heißt, dass nur noch 20 Prozent der Reibung des Ruhezustands vorhanden sind. Beispiel: Eine Holzkiste von 100 kg steht auf einem Holzboden des Containers. Wird nun ein Reibbeiwert von 0,45 angenommen, ergibt das eine Haftreibung von 450 kN. Dieser Wert gilt jedoch nur für den Ruhezustand. Bei einer Seebeförderung muss mit einer vertikalen Beschleunigung gerechnet werden, bei der nur noch 20 Prozent der ursprünglichen Erdbeschleunigung übrig bleibt. Die Holzkiste drückt also bei einer vertikalen Abwärtsbeschleunigung nur noch mit 20 kg auf den Boden des Containers. Es bleibt eine Haftreibung von 9 kN übrig. Durch die zusätzlich auftretende Vibration nimmt die Haftreibung weiter ab. Anschaulich dargestellt bedeutet dies: Um die 100 kg schwere Kiste zur Seite zu schieben, braucht man nur mit 9 kg auf die Seite der Kiste zu drücken – mit Vibration ist sogar noch weniger Kraft nötig, um sie zu verschieben. Somit dürfte jedem klar sein, dass eine zusätzliche Ladungssicherung im Container fast immer erforderlich ist und eine Ladungssicherung, die für eine Beförderung auf der Straße ausreichend wäre, im Seeverkehr bei Weitem nicht ausreichen wird. Weitere diesbezügliche Informationen können dem CTU-Code entnommen werden.

Gernot Severin | Experte für Gefahrgut

Unsere Empfehlung

Es sollte also, wenn die Beschleunigungskräfte beim Straßentransport mit denen beim Seetransport verglichen werden, deutlich geworden sein, dass diese sehr unterschiedlich sind. Eine gute Ladungssicherung für die Straßenbeförderung reicht also nicht für eine Beförderung auf See aus und umgekehrt.

Wenn eine Beförderung auf der Straße, dann auf See und anschließend wieder auf der Straße oder mit der Bahn erfolgt, müssen jederzeit alle möglichen Beschleunigungswerte berücksichtigt werden. Dies wird aber oft nicht beachtet. Im Jahr 2023 wurde von der Wasserschutzpolizei Hamburg bei mehr als 70 Prozent aller beanstandeten Container eine mangelhafte Ladungssicherung festgestellt.

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