Gefahrgut

Chemische Verträglichkeit der Gefahrgutverpackung

Bei der Beförderung von Gefahrgut spielt die Wahl der richtigen Verpackung eine große Rolle. Auch wenn die richtige Verpackung gefunden ist, stellt sich immer noch die Frage der chemischen Verträglichkeit. Erfahren Sie, was die chemische Verträglichkeit bedeutet und wie sie festgestellt wird.

6 Min.

07.10.2025
Palettierte Kartons mit Kennzeichnung „Overpack“

Es soll ein neues Gefahrgut befördert werden. Dafür wird eine Verpackung gesucht. Wie wird aber festgestellt, ob sie auch chemisch verträglich ist?

Die zugelassene Verpackung ist schnell gefunden

Auf den ersten Blick scheint es ganz einfach zu sein: Für das neue Gefahrgut gibt es ein Sicherheitsdatenblatt und darin steht, um welches Gefahrgut es sich handelt. Mit der UN-Nummer sucht man im ADR, RID oder im IMDG-Code im Kapitel 3.2 nach der UN-Nummer und findet in einer der nachfolgenden Spalten den Code einer Verpackungsanweisung für eine Verpackung, ein IBC, einen ortsbeweglichen Tank oder ADR-Tank. Dann sucht man in Kapitel 4 nach dem Code und findet in der Tabelle der Verpackungsanweisung eine Auswahl der Verpackungen, die verwendet werden dürfen. Man sucht sich einen Verpackungstyp und die richtige Größe aus und bestellt damit eine Verpackung beim Händler. Der Hersteller der Verpackung hat die Verpackung gebaut und die Bauartprüfung durchführen lassen. Garantiert die Bauartzulassung, dass die Verpackung für das Gefahrgut, was man befördern möchte, geeignet und zugelassen ist? Ja, aber leider garantiert sie nicht die chemische Verträglichkeit der Verpackung.

Was ist die chemische Verträglichkeit?

Eine Verpackung ist mit dem Gefahrgut chemisch verträglich, wenn sie durch das Gefahrgut weder angegriffen noch erheblich geschwächt wird oder gefährliche Effekte auslöst und keine Permeation der gefährlichen Güter ermöglicht, die während der Beförderung eine Gefahr darstellen können. Diese Eigenschaft kann der Hersteller der Verpackung grundsätzlich nicht garantieren. Für die chemische Verträglichkeit ist der Versender verantwortlich. Die chemische Verträglichkeit ist nicht mit der Beständigkeit zu verwechseln, die auch gegeben sein muss.

Wie wird die chemische Verträglichkeit festgestellt?

Wie die chemische Verträglichkeit festgestellt werden muss, hängt von der Art, dem Aggregatzustand und dem Baumaterial der Verpackung ab:  

  • Bei flüssigen Gefahrgütern, die in Kunststoffverpackungen befördert werden sollen, ist ein Nachweis der chemischen Verträglichkeit vorgeschrieben. Um die chemische Verträglichkeit nachzuweisen, ist ein in allen Details vorgeschriebenes Verfahren einzuhalten.
  • Bei allen anderen Gefahrgütern und anderen Baumaterialien ist weder ein Nachweis noch ein Verfahren vorgeschrieben.

Die Nachweispflicht und das Verfahren ist nur laut ADR/RID und ADN vorgeschrieben, jedoch nicht laut dem IMDG-Code.

Warum gibt es keine Nachweispflicht einer chemischen Verträglichkeit für Verpackungen für feste Gefahrgüter?

Flüssigkeiten haben eine größere Tendenz zur Reaktion mit festen Oberflächen als Feststoffe selbst, weil ihre Moleküle an der Oberfläche einer Flüssigkeit weniger Wechselwirkungen mit anderen Molekülen haben als im Inneren der Flüssigkeit. Dies führt zu einer höheren Oberflächenenergie und dem Bestreben, diese durch Wechselwirkungen mit einer festen Oberfläche zu verringern. Feststoffe hingegen haben bereits eine feste Struktur und interagieren mit ihrer Umgebung hauptsächlich über ihre Oberflächenatome, die bereits mit ihren Nachbarn verbunden sind.

Welche Verfahren sind vorgeschrieben?

Es gibt 

  • das Assimilierungsverfahren
  • die Bauartprüfung oder
  • die Laborprüfung.

Assimilierungsverfahren kurz erklärt

Das Verfahren für flüssige Gefahrgüter in Kunststoffverpackungen aus Polyethylen kann im ADR/RID ab Kapitel 4.1.1.21 ADR/RID nachgelesen werden. Die chemische Verträglichkeit kann durch Assimilierung zu Standardflüssigkeiten nachgewiesen werden. Sie sind in Kapitel 6.1.6 beschrieben. Welche Stoffe bereits assimiliert wurden, kann man in der Liste 4.1.1.21.6 ADR/RID nachlesen oder in der erweiterten Assimilierungsliste des BAM.

Bauartprüfung kurz erklärt

Ist das flüssige Gefahrgut nicht in den Assimilierungslisten aufgeführt, muss die Verpackung mit der Gefahrgutflüssigkeit in einem Test von 6 Monaten einer Lagerung bei Raumtemperaturen unterzogen werden. Dabei muss die Verpackung die ersten und die letzten 24 Stunden mit dem Verschluss nach unten aufgestellt werden. Anschließend müssen die Prüfmuster den Standardprüfungen unterzogen werden, dies sind die

  •  Fallprüfung
  • Dichtigkeitsprüfung
  • Innendruckprüfung
  • Stapeldruckprüfung und
  • Permeationsprüfung.

Laborprüfung kurz erklärt

Die chemische Verträglichkeit von Fässern, Kanistern und Kombiverpackungen, jeweils aus Polyethylen, kann in einem Verfahren mit den Standardflüssigkeiten durch eine dreiwöchige Lagerung bei 40°C nachgewiesen werden. Mit Wasser braucht nicht geprüft werden. Auch bei diesem Verfahren muss die Verpackung während der ersten und letzten 24 Stunden mit dem Verschluss nach unten aufgestellt werden. Anschließend muss die Verpackung ebenfalls die Standardprüfungen durchlaufen, wie oben angeführt.

Wie müssen Verpackungen, die nicht aus Polyethylen sind, und Verpackungen für Feststoffe geprüft werden?

Für diese Verpackungen gibt es kein vorgeschriebenes Verfahren. Es ist auch kein Nachweis vorgeschrieben. Die chemische Verträglichkeit ist jedoch auch bei diesen Verpackungen vorgeschrieben. Auch wenn kein Nachweis geführt werden muss und kein Verfahren vorgeschrieben ist, muss eine chemische Verträglichkeit sichergestellt werden. Die Frage, wie diese Verpackungen geprüft werden können, stellt sich im täglichen Gefahrgutalltag. Es kam mehrmals zu Ereignissen, bei denen Verpackungen durch das feste Gefahrgut so weit angegriffen wurden, dass es zu einem Austritt kam. Es spielt auch eine Rolle, ob der Stoff hygroskopisch ist. Einige feste Stoffe neigen dazu, bei der Beförderung breiartig zu werden. Der flüssige Anteil hat dann eine größere Reaktivität zu der Oberfläche der Verpackung, was zur Zerstörung der Verpackung führen kann. Bevor eine Verpackung für ein neues Gefahrgut verwendet wird, sollte also eines der Verfahren wie für flüssige Stoffe angewendet werden oder auf andere zuverlässige Weise die chemische Reaktion auf die Verpackung eindeutig geklärt werden.

Gernot Severin | Gefahrgutexperte

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