Gefahrgut

Generationswechsel bei den Gefahrgutbeauftragten

Die Einführung der Gefahrgutbeauftragten war eine Reaktion auf schwere Unfälle und führte zu mehr Sicherheit im Gefahrguttransport. Über 30 Jahre später geht die erste Generation in den Ruhestand. Mit ihr droht nicht nur ein Wissensverlust, sondern auch ein Rückgang des Engagements in Verbänden und Gremien. Der Fachkräftemangel verschärft die Lage. Um das hohe Sicherheitsniveau zu halten, braucht es ein Umdenken, moderne Ausbildungswege und eine stärkere Anerkennung der Beauftragtenrolle.

7 Min.

18.09.2025
Zwei Hände übergeben symbolisch einen Staffelstab mit der Aufschrift "NACHFOLGE".

1989 zog der Gesetzgeber nach einer Reihe schwerer Unfälle mit Gefahrgut die notwendige Konsequenz und erließ am 12. Dezember die Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten in Unternehmen und die Schulung beauftragter Personen (Gefahrgutbeauftragtenverordnung – GBV). Sie trat am 1. Oktober 1991 in Kraft. Damit wurde erstmalig für Betriebe, die wesentliche Handlungen in Bezug auf den Transport gefährlicher Güter vornehmen, ein entsprechender Beauftragter verpflichtend. Ziel war es, die wesentliche Ursache der damaligen Unfälle zu bekämpfen: ungenügende Kenntnis und daraus resultierend mangelnde Einhaltung von bestehenden Vorschriften in den Betrieben.

Erfolg der (Betriebs-)Beauftragtenrolle

Das Instrument der (Betriebs-)Beauftragten war in Deutschland nicht neu. So wurden bereits 1975 im Immissionsschutzrecht und 1977 im Abfallrecht (Betriebs-)Beauftragte eingeführt. Das Prinzip des Beauftragten (oder Adviser/Berater) als unterstützende Funktion war so erfolgreich, dass es seinen Einzug auch in die EU-Gesetzgebung als Sicherheitsberater (Richtlinie 96/35/EG des Rates vom 3. Juni 1996) und ins ADR (2003, Kapitel 1.8.3) gefunden hat.

Das Rentenalter der Gefahrgutbeauftragten der 1. Generation ist erreicht

Heute, gut 35 Jahre später, geht die erste Generation der Gefahrgutbeauftragten in den wohlverdienten Ruhestand und hinterlässt tragfähige Strukturen: Prozesse sind etabliert, die Zuständigkeiten geklärt, die Beteiligten geschult, der Transport wird vorschriftskonform und sicher durchgeführt. Das lässt sich auch durch die geringe Anzahl an jährlich dokumentierten Gefahrgutunfällen belegen. 

Doch der Anfang war kompliziert: Die erste Generation von Gefahrgutbeauftragten musste sich ihre innerbetriebliche Stellung häufig erst gegen etablierte betriebliche Gewohnheiten erkämpfen, damit das Thema Sicherheit im Transport die gebührende Beachtung fand.

Parallel zu den laufenden betrieblichen Aufgaben befassten sich die Gefahrgutbeauftragten der ersten Generation intensiv mit den wachsenden regulatorischen Anforderungen. Sie arbeiteten daran, Einzelregelungen korrekt zu interpretieren und zur Jahrtausendwende die sogenannte „Strukturreform“ umzusetzen sowie diese an die betrieblichen Gegebenheiten anzupassen. Die Strukturreform beinhaltete vor allem die Vereinheitlichung national und international unterschiedlicher Regelungen sowie verkehrsträgerbezogene Vorschriften auf eine einheitliche verkehrsträgerübergreifende Systematik sowie die Einführung des UN-Nummernsystems.

Durch diese anspruchsvollen Aufgaben wurden viele Gefahrgutbeauftragte in ihren Unternehmen zu unverzichtbaren Experten. Während sie sich engagiert um die Klärung aller Gefahrgutfragen kümmerten, traten die eigentlich verantwortlichen „Beauftragten Personen“ häufig in den Hintergrund. Diese konnten sich darauf verlassen, dass die Gefahrgutbeauftragten sämtliche Herausforderungen zuverlässig bewältigen würden.

Karriere als Gefahrgutbeauftragter

Mittlerweile ist es vergleichsweise ruhig um den Gefahrguttransport geworden und Vorschriften werden weitgehend nur noch optimiert. Bewegung kommt noch auf, wenn neue Stoffe oder Gegenstände mit neuen Gefahren, z. B. Lithiumbatterien, in Massen zum Transport anstehen und entsprechende neue Regeln aufgestellt werden müssen. Der Gefahrguttransport ist in den Regelbetrieb übergegangen und mit dem Thema Gefahrgut lässt sich nur noch in den wenigsten Betrieben Karriere machen. Das lässt die Position gerade für Nachfolger weniger attraktiv erscheinen.

Hinzu kommt der allgemeine Fachkräftemangel und das teils veränderte Verhältnis der nächsten Generation zu der recht trockenen Materie des Gefahrgutrechts. Auch die derzeit angespannte wirtschaftliche Lage einiger Betriebe und der Umstand, dass die Rolle des Gefahrgutbeauftragten gern mit anderen betrieblichen Verpflichtungen verknüpft wird, verändern die Situation. Es wird also immer wahrscheinlicher, dass freiwerdende Stellen als Gefahrgutbeauftragte nicht bzw. nur schwer oder nicht mit adäquater Qualifikation nachbesetzt werden können.

Gefahr durch Wissensverlust

Was passiert in den Betrieben, wenn die gedienten Gefahrgutbeauftragten in Rente gehen und es keine qualifizierten Neubesetzungen gibt? Meine These: Erst einmal wenig, aber mit der Zeit wird der Wegfall von hochqualifiziertem Wissen mehr und mehr Lücken entstehen lassen. Das birgt die Gefahr eines Absinkens des hohen Sicherheitsniveaus.

Als erstes werden es vermutlich die Beauftragten Personen merken, die ihr Gefahrgutproblem in ihrem Verantwortungsbereich nicht mehr an den Gefahrgutbeauftragten zur Bearbeitung weiterreichen können. Nun müssen Sie die Themen selbst bearbeiten und stellen möglicherweise fest, dass ihr Wissen hierfür nicht ausreicht. Als zweites werden wir vielleicht vermehrte Nachlässigkeiten bei den sonstigen Mitarbeitenden sehen, da regelmäßige Überwachungen und Unterweisungen, z. B. zur Einhaltung der Vorschriften, ausbleiben. Der Fachkräftemangel und das von mir beobachtete Absinken von Qualifikationen in den Betrieben, wird dieses Problem vermutlich noch verstärken.

Wichtige Arbeit in Verbänden und Gremien sichern

Ob der oben geschilderten Veränderungen ist auch in den Verbänden ein geringer werdendes Engagement in den Facharbeitskreisen, auch denen für Gefahrgut, zu erwarten. Solange sich an den Vorschriften nichts ändert, mag darunter zunächst nur der Erfahrungsaustausch und die Wissensaneignung der Beteiligten leiden.

Dieser Blick ist aber zu kurz, spielen die Verbände doch eine wichtige Rolle in der Weiterentwicklung der Vorschriften in den verschiedenen Gremien. Sie wirken als Gegengewicht oder Ausgleich zu den Behörden- bzw. Landesvertretern, damit die Vorschriften praktikabel und im Sinne aller Betroffenen gestaltet werden.

Sinkt die Zahl der Beteiligten in den Verbandsarbeitskreisen, ist absehbar, dass auch die Beteiligung an der Arbeit in den offiziellen Gremien abnehmen wird. Sowohl die kommentierende Begleitung der Gefahrgutgremienarbeit als auch das mahnende Eingreifen, wenn Vorschriftenneuerungen nicht oder nur schwer umsetzbar sind, sind unabdingbar für eine funktionierende Wirtschaft.

Es ist jedoch dringend sicherzustellen, dass diese Entwicklungen frühzeitig verfolgt werden, z. B. bei der WP. 15, UN Recommendations on TDG, gemeinsame Tagung etc. Sind dort erst einmal Beschlüsse gefasst worden, ist es sehr schwer und zeitraubend, diese wieder zurückzudrehen oder durch einen Änderungsantrag zu entschärfen. Die Industrie bzw. ihre Verbände beschneiden sich so ihrer Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Weiterentwicklung der Vorschriften.

Durch Digitalisierung, Automatisierung und den wachsenden Internethandel gibt es genügend dringende Themen, die in den nächsten Jahren zu Regelungsbedarf bzw. Anpassung bestehender Regelungen führen werden. Ebenso werden zunehmend neue oder veränderte Stoffeinstufungen im GHS Einfluss auf die Transportvorschriften haben, die rechtzeitig zu erkennen und zu bewerten sind.

Bereits heute zeigt sich, dass die Industrie bei Änderungen häufig nur noch reagieren kann und gezwungen ist, im Nachhinein mit multilateralen Vereinbarungen oder ähnlichen Instrumenten die Beförderungsfähigkeit einzelner Stoffe abzusichern. Was jedoch nicht immer erfolgreich gelingt.

Fazit

Ein Umdenken ist bei allen Beteiligten notwendig. Das beginnt mit einer stärkeren Anerkennung der Leistungen der Gefahrgutbeauftragten und aller weiteren im Betrieb mit Gefahrgut befassten Personen. Darüber hinaus ist die Arbeit der Gefahrgutbeauftragten in den Verbänden auch in Zukunft zwingend notwendig, um die Vorschriften selbst als auch deren Bereitstellung durch die Gesetzgeber an die Anforderungen innerhalb der Betriebe anzupassen.

Ebenso sollte die Arbeit in den Gremien auf die nächste – digitale – Generation ausgerichtet werden, um deren neue Form des Wissenserwerbs, der Kommunikation und der Zusammenarbeit zu berücksichtigen. Welche Qualifikationen und Ausbildungswege hierfür künftig erforderlich sind, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.

Ulf Inzelmann | Geschäftsführender Gesellschafter

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