Silber wird aufgrund seiner antimikrobiellen Wirkung vielfältig in Farben und Lacken eingesetzt und fällt regulatorisch in der Biozid-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 528/2012, BPR) unter die Produktart 2 (Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind).
Im Fall von Silber wurde bereits im Jahr 2020 ein Entwurf eines sog. CLH-Reportes (Proposal for Harmonised Classification and Labelling) der bewertenden Behörde, in diesem Fall Schweden, beim Ausschuss für Risikobewertung (Risk Assessment Committee, RAC) eingereicht. Der RAC hat im Rahmen seiner Arbeit daraufhin zahlreiche toxikologische Studien zu elementarem Silber (CAS: 7440-22-4) inklusive verschiedenster Silberformen (Nano-Silber, Silber in Pulverform, reines Silber) hinsichtlich der intrinsischen Eigenschaften bewertet. Ziel des Prozesses war es, einen Vorschlag zur harmonisierten Einstufung des Stoffes gemäß CLP-Verordnung zu machen, welcher dann auch für den bioziden Wirkstoff gelten würde.
Allein die Dauer der Bewertung von mehr als zwei Jahren zeigt, wie kompliziert und langwierig die Bewertung der intrinsischen Eigenschaften von Stoffen sein kann.
In ihrem Bericht schlug die schwedische Behörde die Einstufung von Silber (Partikeldurchmesser ≥ 1 mm), Silberpulver (Partikeldurchmesser > 100 nm < 1 mm) und Nano-Silber (Partikeldurchmesser > 1 nm ≤ 100 nm) als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B (Repr. 1B, wahrscheinlich reproduktionstoxisch für den Menschen) vor.
Dafür haben die Expert*innen in einem sog. Read-Across-Ansatz Daten aus Studien von verschiedenen Silbersalzen (z. B. Silbernitrat und Silberacetat), anderen Silberverbindungen mit eigener CAS-Nummer (z. B. Silber-Zink-Zeolith, CAS: 130328-20-0) sowie Nano-Silber bewertet, um diese für die Bewertung zu nutzen.
Zentrale Annahme des Ansatzes war, dass die Toxizität aller geprüften Substanzen auf die in biologischen Systemen freigesetzten Silberionen (Ag+) zurückzuführen ist. Der genutzte Ansatz ist dabei üblich für die Bewertung der toxischen Eigenschaften von Metallen, u. a. weil reine Metalle schwer in biologischen Systemen zu prüfen sind. Metallsalze hingegen sind in der Regel besser wasserlöslich und besser für den Körper verfügbar als das reine Metall.
Dahingehend war es nicht verwunderlich, dass sehr viele Studien mit verschiedenen Silbersalzen für die Bewertung vorlagen. Im Allgemeinen werden bei einem Read-Across-Ansatz toxikologische Wirkungen einer Substanz vorhergesagt, indem Ergebnisse von Studien von anderen ähnlichen Substanzen genutzt werden.
Der RAC kam nach der Bewertung aller reproduktionstoxisch relevanten Studien zu dem Entschluss, dass eine Einstufung von Silber in die Kategorie Repr. 1B u. a. aufgrund von fehlenden Ergebnissen aus Standardtests und Unsicherheiten in den Testergebnissen nicht gegeben ist und schlug eine Einstufung in Kategorie 2 (Repr. 2; vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen) vor.
Der RAC sah die in den bewerteten Tierstudien zu den verschiedenen Silberverbindungen vom Nano- bis zum Mikrometerbereich beobachteten Effekte auf die Fruchtbarkeit der Tiere als erwiesen an und schlug daher eine Klassifizierung mit dem Gefahrensatz H361f (Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen) vor.
Allgemein werden zur Bewertung der reprotoxischen Eigenschaften eines Stoffes verschiedene Endpunkte wie Fruchtbarkeit, die Entwicklung der Nachkommen während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie die Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen untersucht.
Die vorgeschlagene Einstufung als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B hätte im Falle einer Bestätigung durch den RAC große Auswirkungen auf die Genehmigung von Silber als bioziden Wirkstoff haben können. Gemäß dem Artikel 5 der BPR wäre Silber demnach ein Wirkstoff, der die Ausschlusskriterien erfüllt hätte. Unter diesen Artikel fallen u. a. Substanzen, die entweder die Kriterien der Kategorien 1A und 1B für karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch erfüllen, endokrine Eigenschaften aufweisen oder die Kriterien für PBT (persistent, bioakkumulierend, toxisch) oder vPvB (sehr persistent, sehr bioakkumulierend) gemäß des Anhanges XIII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) erfüllen. Die Genehmigung solcher Wirkstoffe ist nur unter bestimmten Vorrausetzungen und ggf. nur für bestimmte Verwendungen möglich.
Die Vorbereitung für die Entscheidungen für die Genehmigung oder Nicht-Genehmigung sowie ggf. Einschränkungen in der Verwendung von bioziden Wirkstoffen triff der Ausschuss für Biozidprodukte (Biocidal Product Committee (BPC)) der ECHA. Dies ist ein Expert:innen-Gremium, das Bewertungen für die ECHA in Bezug auf verschiedene BPR-Prozesse – wie beispielsweise die Genehmigung von Silber als bioziden Wirkstoff – für die Entscheidung in der europäischen Kommission vorbereitet. Der BPC muss die Beurteilung des RAC zur Einstufung in ihrer Bewertung berücksichtigen und prüft darüber hinaus die Wirksamkeit sowie die Risiken, die aus der Anwendung von Silber als bioziden Wirkstoff resultieren. Silber (CAS: 744022-4) als biozider Wirkstoff ist noch im Bewertungsprozess. Es ist aber vorgesehen, dass im letzten Quartal im Jahr 2026 der Bewertungsbericht der Behörde beim BPC eingereicht wird.
Dr. Mandy Schneider | Biozid-Expertin
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